Disq ist eine Arbeit der Liebe

Die Suppe wird ergänzt durch ein wenig Gras, etwas Wolle und jede Menge Müdigkeit auf ihren Gesichtern. Die Mitglieder von Disq waren vor weniger als 48 Stunden in London; es war für alle das erste Mal im Ausland, und niemand wusste, dass die Abbey Road eine funktionierende Straße ist, bis sie ankamen. Dennoch ging der Leadgitarrist/Sänger Isaac deBroux-Slone barfuß, um die Gruppe bei ihrer Nachstellung des berüchtigten Beatles-Schnappschusses genau darzustellen. Er trägt gerade ein T-Shirt aus dem Souvenirladen von Abbey Road.

In diesem gleichen Souvenirladen, ein voller Kreis: Isaac entdeckte das D19-Mikrofon, das in vielen Beatles-Aufnahmen verwendet wurde, wie in einer Disq-Signaturplatte desselben Namens vermerkt. Glücklicherweise brachte eine eindringliche Nachricht auf eBay einen jungen Isaac dazu, sein Geld zurückzubekommen von dem Engländer, der ihm vor vielen Jahren das defekte D19 verkauft hatte. Von den zwei ausverkauften Londoner Shows, die Disq spielte, konnte niemand die Anwesenheit des eBay-Engländers bei beiden bestätigen... nur ein Haufen steifer Branchenteilnehmer an einer Nacht und eine enthusiastische Menge an der anderen.

Wie sie sich erinnern, war der kurze EU-Abstecher nicht nur Bohnen auf Toast und Touristenfallen. Isaac hat sich vorübergehend an einem isländischen Flughafen verloren. Die ganze Band nahm Xanax, um während eines Fluges zu schlafen, uninspiriert von Drake à la "SICKO MODE." Sie rauchten sogar Gras aus einem Brotstick mit ihrem A&R. So lebt Disq: ein in Wisconsin aufgewachsenes Quintett, das in der digitalen Medien-Independent-Rock-Sprache oft als Buzz-Band bezeichnet wird.

Logan Severson: Ich habe das Gefühl, dass [Erfolg] nur gelegentlich in die Greifbarkeit übergeht, wenn man die Ergebnisse der Dinge sieht.

Isaac deBroux-Slone: Diese Woche sind wir bei Fresh Finds. Das hat sich... ziemlich buzzig angefühlt.

Raina Bock: Das fühlte sich nach einem Buzz-Band-Move an.

Shannon Connor: Ja, definitiv. Wir machen mehr Buzz-Band-Moves. Wir bringen es auf den Punkt!

In der Taxonomie der Gitarrenmusik markiert die Buzz-Band-Position einen Aufstieg von relativer Obskurität zu schneller Sichtbarkeit, oft katalysiert durch eine Flut von Durchbruch-Platten, häufiges Touren mit größeren Künstlern und Branchenaufmerksamkeit. Aus einer Vogelperspektive ist Disq bereit, die nächste Band aus Madison zu werden, die ihren Moment in einer neuen Welle von unabhängigen Rockdurchbrüchen aus Wisconsin erwischt. Abgesehen von der Trajektorie bleiben die Erwartungen allein in ihren Händen, und die Realität der Buzz-Band ist ein Konstrukt, das so müde ist, wie Gitarrist Shannon Connor in seinem Schlafanzug unter einer warmen, gewichteten Decke aussieht.

Disq begann als Highschool-Duo zwischen Isaac und Raina, die seit ihrer Kindheit Freunde und musikalisch aktiv waren. Nach einer Jugend voller Experimente und dem Durchlaufen der lokalen Szene veröffentlichten sie 2016 Disq I, das ein brennendes Fundament für ihren formverändernden Rock legte, der treibend und direkt, aber am Rand süß ist. Dieses unbestreitbare Potenzial führte dazu, dass Isaac und Raina ein misslungenes Album-Deal abgelehnt haben, zurück zu ihrem DIY-Ethos gegangen sind und sich auf fünf Mitglieder erweitert haben, indem sie Gitarrist Logan Severson, Schlagzeuger Brendan Manley und Gitarrist Shannon Connor hinzufügten. Mit einer Besetzung junger Veteranen der Madison-Independent-Rock-Szene - einem breiten Spektrum an Bands und persönlichen Projekten zwischen ihnen - und der Unterstützung des angesehenen Rocklabels Saddle Creek steht Disq kurz davor, ihr Debüt in der Branche mit Collector zu veröffentlichen: eine schlanke 10-Track-Platte, die wie das unaufhörliche innere Monolog eines jungen Erwachsenen klingt, der im Internetzeitalter aufwächst. Jede Angst wird verstärkt, jedes Missgeschick zum Dramatischen erhoben. Ein Satz aus vor Monaten kann dich heute beschämen, aber glücklicherweise bist du nicht mehr die Person, die du vor zwei Jahren warst.

„Ich denke weniger in Bezug auf Musik, sondern einfach auf persönlicher Ebene, dass wir definitiv gerade besessen von Nostalgie sind“, sagt Severson. „Ich denke, die Leute sind immer besessen davon: es ist warm, es ist bequem, aber es ist nicht die Realität. Es ist der Rückblick auf Dinge durch eine rosarote Linse, und ich denke, es ist wichtiger, in der Gegenwart zu sein.“

Collector schwelgt in Nostalgie, indem es den hässlichen Realitäten der Vergangenheit Tribut zollt, ohne das Sepia-Leuchten, das lediglich das eigene Glück umreißt. Während die Gruppe ihren Bogen scherzhaft mit dem jahrzehntelangen Linklater-Drama Boyhood vergleicht, schöpfen sie aus mehreren Jahren Demos und Ideen, um dem Album seine Erinnerungsstraße zu geben. Es gibt eine einladende Intimität für jeden, der das Sprichwörtliche durchgemacht hat, selbst wenn die Musik oft das Gefühl vermittelt, dass der Zuhörer Zuschauer einer Reihe sich spiralender Momente und schwerer Genesungen ist. Power-Pop kann leicht in Pop-Punk eintauchen und dann zurück zu psychedelischem Rock, jeder Moment ist überschwemmt von Aufregung, sodass man sich nie von den Trümmern in der Ferne abwenden kann.

Im Gegenteil, Collector wurde während zwei Wochen Rock und Dissoziation in Los Angeles mit Produzent Rob Schnapf (Beck, Elliot Smith, The Vines, Foo Fighters) hinter den Reglern aufgenommen. Die Sessions verliefen oft „von Mittag bis zur Unendlichkeit“, ihre Ausfallzeit verbrachten sie auf der Suche nach Dollar-Tacos und beim Spielen von Knockout Kings auf N64 über Modelos auf der Hinterterrasse. Dies markierte einen weiteren ersten Mal im Namen von Disq: den neuen Druck, den eigenen Erwartungen gerecht zu werden, gepackt mit einem berühmten Produzenten an der Spitze und einem unterstützenden Label, das wachsende Geld- und Zeitmengen ausgibt, um ihren Erfolg zu sichern. Und mit einer Gruppe junger Leute, deren musikalische Reisen untrennbar mit dem Internetzugang verbunden sind - und all den Gemeinschaften, oder dem Fehlen dieser, die darin zu finden sind - mussten sie die unvermeidliche Verschmelzung von persönlicher und politischer Marke durchqueren, während ihre Karrieren steil ansteigen. Währenddessen wissen sie, dass sie nicht unverwundbar gegen die gnadenlose Mühle der Hype-Maschine sind.

„Zurück zur Buzz-Band-Thematik, das ist wahrscheinlich das absolut Schlimmste, was aus der Kultur des Musikhörens im Internet kommt: Bands als Buzz-Bands zu kennzeichnen und sie dann wegzuwerfen“, sagt Connor. „Und ich habe definitiv gesehen, dass das passiert: als wir fuckin’ Nerds Stereogum und Pitchfork vor langer Zeit gelesen haben, kann ich mich an all diese Bands erinnern, die gehypt wurden und dann ein Jahr später einfach abgeschrieben wurden. Das hat viel mit der Wegwerfmentalität zu tun, die die Kultur jetzt hat, mit billigen Nervenkitzel. Es ist fuckin’ lahm.“

Für all ihre Songs, die oft über die vier Minuten-Marke hinausgehen, belohnt Collector seinen Zuhörer, indem es mühevolle Details in schillernde Momente packt, die jeden begrüßen, der es zulässt, dass sie enthüllt werden. Es umgeht die Vorstellung, dass Kürze Normalität ist, und bevorzugt langsam gekochte Hymnen, die so leicht eine Arena voller Fremder packen könnten wie einen Ohrstöpsel. Eine solche Vielseitigkeit ermöglicht es Disq, ihre schlimmsten Ängste offen zu zeigen: „Daily Routine“, die erste Single und Eröffnungssong des Albums, beginnt als Pendelschwung zwischen der Notwendigkeit und der Monotonie grundlegender Überlebensfähigkeiten und hat einen zum Singen über suizidale Gedanken gebracht, ohne die Melodie zu brechen, während ein hörbarer Zugunglück näher rückt. „Loneliness“ funktioniert auf einem ähnlichen Niveau, prognostiziert Angst nach einer gebrochenen Verbindung, bietet aber seinen Namen als eine Unvermeidlichkeit an, die wahrscheinlich süßer klingt als sie sich anfühlt. Ist Einsamkeit eine freudige Erleichterung oder nur ein weiterer schrecklicher Fehler? Die Liste geht weiter: bis zur Dunkelheit auf leerem Magen schlafen, Erinnerungen wie nutzlose Souvenirs horten, der Song „I Wanna Die“ über genau das, und mehr.

Mit jeder schönen Melodie und schmerzhaften Beschwörung agiert Disq standardmäßig mit einer Geschicklichkeit; indem sie ihre Wunden im Tempo öffnen, lindert unser Mitgefühl, was das Heilungspotential solcher Verletzlichkeit ermöglicht. Es ist ein großes Unterfangen mit größeren Risiken, da viele der Bandmitglieder regelmäßig mit Depressionen und Angstzuständen kämpfen. Diese Lieder sind Dokumente des Selbst, das Album ein Konzeptnachweis für Menschen, die sich weiterentwickeln.

„Für mich ist Schreiben definitiv ein großes Bewältigungsmechanismus“, sagt deBroux-Slone. „Und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass... ich mich wahrscheinlich viel besser fühlen würde, wenn ich die Kraft hätte, zu sagen, worüber ich nachdenke, zu einer Gruppe von Fremden oder wem auch immer, die es im Internet hört. Ich denke, das macht es für mich viel besser: es anzuerkennen und mehr in die reale Welt zu bringen. Es ist irgendwie wie mit jemandem darüber zu reden, auch wenn [es anders ist].“

Aber nichts davon (und niemand in Disq) würde ohne den richtigen Sinn für Humor funktionieren, um die Ernsthaftigkeit zu glätten. Auf dem Cover von Collector halten einige Bandmitglieder Roggencracker im Mund, um Rehe in den Wisconsin Dells zu füttern. Jede zufällige tiefgehende Konversation besteht aus Witzen, die die merkwürdigsten Nischen der Musikfandom und des Popkultur-Überflusses streifen, oft in ihre digitale Präsenz überfließen. Zum Zeitpunkt des Drucks postete @newphonewhodisq ein Mannequin-Challenge-Video - im Jahr 2020 - um ein kürzliches Sponsoring von Vans zu würdigen. In Aktion übersetzt sich dieser Humor nur in subtilen Bühnenwinkeln und fast todernstem Geschnatter, das die Dicke einer Live-Umgebung mit einem unbeholfenen Charme durchbricht, der schnell von den unaufhörlichen Fähigkeiten der fünf ausgeglichen wird. Sie stehen wie Superhelden aus den Auen und Schlaglöchern der midwestlichen Legenden, die Gefühle mit dem Schallbarriere maximieren, die unter Beschuss steht.

Ich habe einmal geschrieben, dass Disq wie die Art von Band klingt, die mich fühlen lässt, „wie ausgebrannte Aerosmith-Fans sich bei etwas 'REAL ROCK 'N' ROLL' fühlen!” Das stimmt immer noch, abgesehen von der veralteten Besessenheit mit Rockstar-Tugenden, die längst aus der Gitarrenmusik verschwunden sind. Ein Blick auf die Landschaft bestätigt nur, dass es minimal (ich wage zu sagen marginal) Subversion im Bereich der weißen Rockbands gibt. Disq - eine weiße Rockband - versichert mir, dass sie ebenso gelangweilt darüber sind und mit Bands gespielt haben, die genauso langweilig sind, um ins Profil zu passen. Seien Sie versichert, dass sie mehr der Innovation des Handwerks gewidmet sind als dem vergangenen Reiz, beliebte Vollidioten zu sein.

Collector klingt so: bösartig mit Absicht, die Wahrheit mit Lichtgeschwindigkeit suchend.

Disq-Platten sind das Patchwork von Studienabbrechern undjenigen, die nie teilgenommen haben, shitpostend durch Zusammenbrüche und arbeitend in ziellosen Jobs zwischen den Tourneen. Sie frühstücken sonntags, fallen in YouTube-Löcher und posten Albernheiten im Namen guter Inhalte. An ihren besten Tagen teilen sie das Unbehagen des Lebens, bis es erträglicher wird. An ihren schlimmsten Tagen gelingt es ihnen möglicherweise trotzdem. Diese Kinder sind die Kinder aus deiner Highschool: die, die die Band-T-Shirts tragen, wütend in Unsicherheit und träumend von genug Bedeutung für jemanden, so wie sie gelernt haben, sich am meisten füreinander zu bedeuten.

Disq ist eine Arbeit der Liebe, übertrieben für abgetriebenen Bürger einer kaputten Welt.

Shannon Connor: Die Bandbindung hält mich definitiv am Laufen. Als jemand, der selbstzerstörerische und isolierende Tendenzen hat, ist es eine gute Sicherheitsdecke, dies als etwas Garantiertes zu haben, worauf ich mich freuen kann - und in einer Gruppe von Leuten zu sein. Das ist etwas, das ich wirklich schätze.

Raina Bock: Es war auf jeden Fall etwas, das ich dieses Jahr akzeptieren musste: das hier werden meine wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen in meinem Leben sein. Weil ich definitiv viele Momente des Durchdrehens hatte, weil ich das Gefühl hatte, „Oh, ich kann niemals eine Familie oder eine ernsthafte Beziehung haben, denn wir werden immer touren müssen, um uns selbst zu unterstützen.“ [Ich habe] realisiert, dass und damit okay zu sein.

Logan Severson: Ich habe es schon einmal gesagt, aber ich habe noch nie wirklich etwas in meinem Leben so passend gefühlt wie dieses Fünf, das zusammen eine Band wird. Als wir das erste Mal wirklich bei Rainas Haus loslegten - kollektives Lachen - [bei] diesem großen Übungs-Marathon in Viroqua, haben sich die Dinge gefühlt. Und seitdem habe ich das Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Fotos von Bryan Iglesias